Eurostars Tour

Eurostars Team

Alles begann mit einer Email an einem regnerischen Novemberabend mit dem Title "Hey Superstar!". Ich dachte erst das ist Spam, doch je weiter ich las, desto aufgeregter wurde ich. Es war eine Einladung kommenden Sommer mit einem europäischen Allstar-team aus 16 Frauen in die USA zu reisen um dort gegen die Top 8 amerikanischen Frauenteams Ultimate Frisbee zu spielen. Eine Stadiontour mit Zuschauern, Medienteam und live Übertragung, um zu zeigen wie hochklassig und spannend Frauenultimate sein kann und europäisches Frauenultimate insbesondere. Was eine Ehre, bei einem solchen Projekt dabei sein zu dürfen. Meine Antwort kam prompt ca. 2 Minuten später: "Count me in!"

So und jetzt fragt ihr euch vielleicht: "was ist eigentlich Ultimate?". Genau, das ist das Problem. Unser Sport ist großartig, athletisch, schnell, spannend und – super unbekannt. Es handelt sich um einen Teamsport, der 7 gegen 7 auf einem Rasenplatz mit zwei Endzonen gespielt wird. Selbst auf Nationalteam Niveau gibt es kaum Sponsoring, und die Möglichkeit in Stadien zu spielen und mit Zuschauern gibt es für gewöhnlich nur für männliche Spieler in den USA. Dort ist der Sport wesentlich größer und es gibt eine Profiliga. Die USA belegen bei Weltmeisterschaften in der Regel immer die ersten Plätze in allen Divisionen, und bei Club Weltmeisterschaften die ersten vier Plätze. Unser europäisches Allstar-Team also als die "underdogs" zu beschreiben, war eine maßlose Untertreibung. Viele waren der Meinung wir würden kein einziges Spiel in Übersee gewinnen…

Die Vorbereitungszeit zwischen Teamauswahl und Abflug verging rasend schnell und war geprägt von Fundraising und social media Aktivitäten, um die Tour zu bewerben. Es war schließlich unser Ziel möglichst viele Menschen und vor allem Frauen von unserem Sport zu begeistern. Ein breites Publikum musste also her und finanzielle Mittel um die Live-Übertragung zu finanzieren. Ehe ich mich versah, hatte ich auf einmal einen Instagram account und 8 Flugtickets: Hamburg – New York – Washington DC – Boston – Seattle – San Francisco – Denver – Madison – Hamburg.

Pizza in New YorkErster Stopp New York: 16 Mädels aus 10 verschiedenen europäischen Ländern, die sich größtenteils noch nie gesehen haben trafen sich am Tag vor dem ersten Spiel am Pier 6 in Brooklyn zum Pizza essen. In der Luft lag eine Mischung aus Aufregung, Vorfreude, massivem Jetlag, und neuen Freundschaften. Es war ein wunderschöner erster Abend vor der Kulisse der New Yorker Skyline bei Sonnenuntergang bevor es dann am nächsten Tag ans Eingemachte ging. Die erste Trainingssession am Morgen vor dem ersten Spiel war durchwachsen. Da viele von uns sich noch gar nicht kannten, war deutlich Luft nach oben was das Zusammenspiel anging. Trotzdem war mir vom ersten Moment an klar was für ein wahnsinniges Potential dieses Team hat – was für starke Spielerinnen ich da vor mir hatte, und ich kriege heute noch Gänsehaut, wenn ich an diesen Moment denke.

Der Druck kurz vor dem ersten Spiel war enorm. Zahlreiche Zuschauer im Stadion und am Livestream würden nun mitverfolgen, wie wir Europäerinnen uns gegen die übermächtigen Amerikanerinnen in unserem ersten Spiel schlagen würden. Natürlich war uns klar, dass eine hohe Niederlage die Vermutungen vieler bestätigen würde – dass wir einfach keine Chance haben. Ich bin froh (und damals unsagbar erleichtert) sagen zu können: wir haben das Gegenteil bewiesen! Mit einem 15-9 Sieg und stolzgeschwellter Brust verließen wir New York am nächsten Tag in Richtung Washington DC.

Zweiter Stopp Washington DC: Scandal, das Frauenteam aus Washington, war wesentlich stärker als New York Bent. Scandal war bei den nationalen Meisterschaften 5. geworden, es erwartete uns also ein weiterer harter Test, ob wir auch gegen eine der besten amerikanischen Mannschaften bestehen würden. Als das Spiel beginnen sollte und alle Zuschauer bereits auf der Tribüne saßen, erwischte uns ein so heftiges Gewitter, dass das Spiel verschoben werden musste. Eine halbe Stunde später ging es dann endlich los – klitsch nass und durchgefroren aber bereit einen ordentlichen Kampf zu liefern. Leider sollte es diesmal nicht reichen. Scandal zog uns früh davon und beendete das Spiel mit einem sehr verdienten und deutlichen Sieg. Endstand: 9:15.

Logistische MeisterleistungDritter Stopp Boston: Nachdem es nun 1:1 stand im Kampf um den Americus Cup, und wir bisher noch nicht gegen eines der top Teams gewonnen hatten, ging es für uns in Boston um Alles. Brute Squat war der amtierende amerikanische Meister, wir gingen also mit einer gehörigen Portion Respekt in das Spiel und lagen dann auch prompt 0:5 hinten. Ich glaube ab diesem Zeitpunkt war allen klar, dass wir jetzt nichts mehr zu verlieren haben. Wir spielten plötzlich viel freier auf und schafften es endlich unsere ersten Punkte zu verwandeln. Und nicht nur das, plötzlich bekamen die Amerikanerinnen auch Probleme mit unserer Defense und wir kämpften uns mit einigen spektakulären Dives und Blocks auf ein 13:13 heran. Das Publikum hielt es kaum noch auf den Sitzen und auch wir waren völlig aus dem Häuschen. Nach zwei weiteren hart umkämpften Punkten stand es jedoch 15:13 gegen uns. Trotzdem war keine Einzige von uns enttäuscht mit diesem Ergebnis, denn an diesem Abend hatten wir endlich gezeigt – wir können ganz oben mitspielen – auch in Amerika!

Ab Stopp vier trat zum ersten Mal so etwas wie Routine ein. Es gab nämlich nur genau zwei Arten von Tagen, Spieltage und Reisetage. An einem Spieltag war morgens Training, dann Mittagessen, anschießend ging es zum Spielfeld um alles aufzubauen, gefolgt vom Warm-up, dem Spiel, alles wieder abbauen, waschen, packen und schlafen. Auch wenn so ein Spieltag super vollgepackt erscheint, waren die Reisetage meist noch wesentlich anstrengender. Trotz frühem Aufstehen, haben wir es mehrfach geschafft fast unseren Flieger zu verpassen, meist durch unverhoffte Staus oder unfreiwillige Umwege auf dem Weg zum Flughafen. Mietwagen ausleihen war eigentlich generell eine Odyssee, wobei unser Wartezeit-Rekord bei ca. 2,5 Stunden lag. Außerdem musste der Transport unseres gesamten Equipments organisiert werden – hier wurde so manche logistischen Meisterleistungen vollbracht (Bild).

Umso dankbarer waren wir, wenn wir es an den Reisetagen dann endlich zu unseren ausnahmslos wundervollen Gastgebern geschafft hatten. Spielerinnen aus den gegnerischen Teams haben uns in der Regel bei sich zuhause aufgenommen und die Gastfreundschaft der Amerikaner war wirklich phänomenal! Eine meiner besten Erinnerungen von der Tour war, nach einem langen Tag in Seattle völlig ausgehungert "nach Hause" zu kommen und unseren Gastgeber mit selbstgemachter Pasta und Cookies vorzufinden – nachts um 10, obwohl er am nächsten Tag um 7 bei der Arbeit sein musste! Wir hatten ein super schönes spätes Dinner und ich weiß jetzt wie man Pasta selber macht :)

Denver TerrasseSpielerisch ging es aufregend weiter. In Seattle und in San Francisco erwarteten uns "double header" - zwei Spiele an einem Abend. Während wir Seattle mit einem weiteren Sieg und einer Niederlage verließen, verloren wir in San Francisco gleich zweimal im universe point - 10:11. Das war natürlich bitter, da dies auch das Aus für den Americus Cup bedeutete. Wer mitgezählt hat weiß – mittlerweile stand es 5:2 für die Amerikanerinnen, und irgendwo zwischen Boston und San Francisco muss die Zeit so unglaublich schnell vergangen sein, dass plötzlich nur noch zwei Stopps der Eurostars-Tour übrig waren. Fast wehmütig traten wir die Reise zu unseren letzten zwei Spielen an. In Denver wohnten wir in einem wunderschönen Haus mitten in den Bergen und statt dem üblichen morgendlichen Training legten wir eine Bergsee-Schwimm-/Plansch- und Yoga Session ein. Das Spiel gegen Denvers Molly Brown verloren wir leider 15:12. Dafür war die Zeit in den Bergen so unglaublich schön und der Blick von der Terrasse unseres Hauses, dass das verlorene Spiel schnell vergessen war.

Und dann war es auch schon so weit. Letzter Stopp, letztes Spiel mit diesem phänomenalen Team, bevor es wieder nach Hamburg gehen würde. Vor dem Spiel sollte es allerdings noch eine riesen Überraschung für mich geben. Nichtsahnen, nach einem wohlverdienten Mittagsschlaf kam ich die Treppe unseres neuen Heims hinunter, wo mich unser Medienteam überfällt – "Nici – you’re going to want to sit, before seeing this". Mein Dive aus unserem Spiel gegen Brute Squat hatte es tatsächlich ins amerikanische Fernsehen geschafft, in die wöchentlichen Top 10 des ESPN Sportcenters – WOW! Was ein Geschenk! Mittlerweile hatten wir tatsächlich so viel Medieninteresse generiert, dass ESPN auf uns aufmerksam geworden ist. Das ganze Team war super stolz! Hochmotiviert und entschlossen diese letzte gemeinsame Zeit noch maximal zu genießen, gingen wir ins letzte Spiel. Von vornherein lief unser Zusammenspiel im Angriff einfach wie am Schnürchen. Es war ein wunderbares letztes Spiel, in dem wir nochmal alles aufs Parkett packten, was wir uns in den letzten 2,5 Wochen erarbeitet hatten. Mit einem hochverdienten 15:7, gewannen wir unser letztes Spiel gegen Madison Heist und erkundeten danach gemeinsam das lokale Nachtleben.

High 5Bei unserem Abschied am nächsten Morgen blieb kein Auge trocken. Was eine wahnsinnige Erfahrung. Rückblickend haben wir aus meiner Sicht trotz aller Niederlagen, unsere Ziele erreicht. Wir haben wirklich hochklassiges Frauenultimate gespielt und gezeigt, dass es dieses auch in Europa gibt. Wir haben eine breite Masse an Zuschauern erreicht und hoffentlich einige junge Frauen für unseren Sport begeistern können. Ich habe wundervolle neue Freunde aus der ganzen Welt gefunden und habe unglaublich viel gelernt. Von dieser Erfahrung werde ich sicher noch sehr lange zehren. Danke Eurostars-Tour und allen, die dieses Projekt unterstützt haben! I had a blast!

 

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